Wirtschaft braucht Verkehrswege

10.12.23 –

Kapitel 6 aus dem Leitantrag „Transformation der Wirtschaft“, beschlossen auf der LDK von B’90/Die Grünen Berlin, 9. Dezember 2023:


6. Wirtschaft braucht Verkehrswege

Handel, Tourismus, Industrie, Paketlieferdienste – Wirtschaftsverkehr ist unverzichtbar für eine Großstadt wie Berlin. Wirtschaftsverkehr geht uns alle an: Wir wollen frische Lebensmittel, dass Waren aus der Produktion in die Läden kommen, und wir sind auf Dienstleistungen angewiesen. Wir möchten eine zuverlässige Stadt, in der Feuerwehr, Polizei sowie Ver- und Entsorgung reibungslos funktionieren.

Den vielfältigen Aufgaben und Interessen gerecht zu werden, ist eine komplexe Aufgabe. Dieser Herausforderung stellen wir uns – immer mit den Menschen und unserer Verantwortung für Berlin im Mittelpunkt.


Probleme packen wir an

Wirtschaftsverkehr braucht Ressourcen und verursacht die gleichen Nebeneffekte wie andere Verkehre auch. Wir gehen mit den begrenzten Ressourcen effizient und schonend um und wollen die negativen Begleiterscheinungen Stück für Stück reduzieren.

Verkehr braucht Fläche. Die Anzahl der Menschen in dieser Stadt nimmt zu, ebenso ihre Mobilitätsbedürfnisse. Die Fläche Berlins wächst nicht mit. Deshalb werden wir die vielfältigen Verkehrsinteressen in einen fairen Ausgleich bringen. Wir werden den Wirtschaftsverkehr angemessen berücksichtigen und ihm den notwendigen Raum geben. Wir erkennen auch, dass privater KFZ-Verkehr den höchsten Flächenanspruch bei vergleichsweise geringer Verkehrsleistung hat, besonders der sogenannte ruhende Verkehr. Auch der alltägliche Verkehrsstau ist wirtschaftsfeindlich.

Die Sicherheit im Straßenverkehr ist ein hohes Gut, insbesondere für die schwächeren Verkehrsteilnehmenden. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ist für uns nicht verhandelbar. Neben dem persönlichen Schicksal und der Trauer belasten im Straßenverkehr verletzte und getötete Personen die Wirtschaft Berlins jedes Jahr um hohe Millionenbeträge. Kostenintensive Arbeitsausfälle können vermieden werden.

Deshalb wollen wir auch den Wirtschaftsverkehr sicherer machen, unter anderem mit verpflichtenden Abbiegeassistenten bei LKWs über 7,5t. Wir erwarten, dass der Senat für die eigene Flotte und die der landeseigenen Unternehmen die Nachrüstung mit Abbiegeassistenten finanziert und fortführt. Auch die entsprechende Förderung von Unternehmen muss fortgesetzt werden. Der Senat soll eng mit der Berufsgenossenschaft und der Versicherungswirtschaft zusammenarbeiten, um Berufskraftfahrende für die Besonderheiten des sicheren Fahrens in einer Großstadt zu sensibilisieren und weiterzubilden.

Die menschengemachte Erderwärmung und unsere Verantwortung für eine enkeltaugliche Welt erkennen wir an. Auch der Wirtschaftsverkehr soll einen Beitrag zur Reduzierung von Emissionen leisten: durch die Verlagerung möglichst vieler Wirtschaftsverkehre auf emissionsfreie Transporte sowie durch die Elektrifizierung und Dekarbonisierung der Fahrzeuge. Hier muss Berlin seiner Vorreiterrolle gerecht werden. Eine geeignete Ladeinfrastruktur ist stadtverträglich zu errichten und dient als Standortvorteil, auch für die Ansiedlung oder die Vergabe von Flächen und Grundstücken.

Kurzum: Wir unterstützen den Wirtschaftsverkehr und möchten ihn effizienter, sicherer, sauberer und leiser machen.


Güterverkehr – ökologisch und modern aufstellen

Wir wollen bestehende Schienennetze effektiver nutzen und neue Möglichkeiten eröffnen. In anderen deutschen Städten gibt es Güter-Trams, die das Straßenbahnnetz nutzen. Dort, wo es möglich ist, werden für Gütertransporte auch heute schon Wasserwege genutzt. Für eine starke Wirtschaft werden wir die Potenziale einer intermodalen City-Logistik weiter ausschöpfen. Wir sind für einen offenen Umgang mit Verkehrsdaten und eine Open-Data-Plattform, auf der Daten zum Verkehrsaufkommen, zu Baustellen oder auch Großveranstaltungen tagesaktuell dargestellt werden.

Die vorhandenen tri- und bimodalen Güterverkehrszentren sind dringend weiterzuentwickeln, um die Straßen zu entlasten. Zusätzlich braucht es dringend ein landesweites Konzept für emissionsfreie Mikromobilität im Wirtschaftsverkehr mit zentralen und dezentralen Mobility Hubs. Auch hier muss das Land Berlin als Vorbild voranschreiten und diese auf eigenen Flächen mit eigenen Gesellschaften oder geeigneten Partnern realisieren – die BEHALA leistet schon jetzt gute Pionierarbeit, die weiter ausgebaut werden muss, weitere landeseigene Gesellschaften müssen hier einen Beitrag leisten.

Die Belange des Wirtschaftsverkehrs müssen insbesondere bei der Planung neuer Stadtquartiere mitbedacht werden. Schwerverkehr auf unseren Straßen muss auch für Fahrer:innen sicher und stressfreier werden, zugeparkte Kreuzungsbereiche führen zu Zeitdruck und erhöhen die Unfallgefahr.

Paket- und Lieferdienste, Handwerker:innen und Dienstleister sind oftmals auf KFZs angewiesen, insb. wenn sie Material transportieren. Dazu brauchen sie freie Lade- und Lieferzonen, bzw. geeignete Halte- und Kurzzeitparkmöglichkeiten, die nah bei den zu beliefernden Geschäften und Kund:innen liegen. Diese dürfen nicht mit Falschparkern belegt sein. Regelwidrige Inanspruchnahme durch Verkehrsteilnehmer soll konsequent verfolgt und sanktioniert werden. Die sog. „Berliner Linie“, d.h. das kurzzeitige Halten oder Parken auf Radwegen oder Lieferzonen, um z.B. ein Brötchen zu holen, schadet der Wirtschaft genauso wie den Schwächeren im Straßenverkehr.

Wir setzen auf digitale Buchungssysteme und ein nachhaltiges Parkraummanagement. Wir brauchen ein Pilotprojekt zur Ausweitung von Lieferzeitfenstern, um zu testen, ob moderne Technik annähernd geräuschlose Anlieferung auch in den Tagesrandzeiten für Anwohnerinnen und Anwohner erträglich macht. Dies kann ein Anreiz sein, schneller auf elektrische Antriebe umzusteigen.

Vor allem auf der „letzten Meile“ wollen wir Lastenräder und kleinere, elektrisch angetriebene Kraftfahrzeuge fördern. Dazu braucht es den weiteren Ausbau zukunftstauglicher Infrastruktur: Mikro-Depots und Übergabestellen auf Lastenräder. Der Senat muss den Anbietern dabei helfen, geeignete Standorte zu finden, aber auch gleichzeitig Vereinbarungen treffen, dass möglichst viele Verkehre von verschiedenen Nutzern zusammengebunden und effizienter geführt werden. Besonders Lastenfahrräder sind flexibel und nehmen weniger Fläche in Anspruch. Für diese braucht es geeignete Radverkehrsanlagen, ausreichend breit, damit auch ein sicheres Überholen möglich ist.


Personenwirtschaftsverkehr

Menschen im Wirtschaftsverkehr wollen wir attraktive Angebote im Umweltverbund machen. Das entlastet Straßen für diejenigen, die ein KFZ nutzen müssen. Nur mit einem leistungsfähigen Umweltverbund ist Berlin für Arbeitskräfte als Standort attraktiv.

Der ÖPNV muss flexibel und sicher nutzbar sein, um Menschen zu ihren Beschäftigungsorten zu befördern. Ausfälle und Verkürzungen sind mit vorausschauender Angebotsplanung zu vermeiden. Es bedarf dichter Taktzeiten, weiterer Umsteigemöglichkeiten und des Lückenschlusses, außerdem ausreichender und ausgebildeter Fahrer:innen. Die dafür notwendigen Mittel wollen wir ausweiten und bereitstellen. Ein guter ÖPNV ist nicht bloß eine ökologische und soziale Frage, sondern die Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung und Prosperität.