Keine Sicherheit ohne Grundrechte

13.11.23 –

Im Abgeordnetenhaus wird aktuell eine Novellierung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) beraten. Dazu kommentiert Philmon Ghirmai, Landesvorsitzender, in der Taz:

"Die vorgelegte Novellierung belegt, dass CDU und SPD offenbar bereit dazu sind, Grundrechte und Gewaltenteilung mit einem Federstrich abzuräumen. Das zeugt von einem erschreckend laxen Umgang mit verfassungsrechtlichen Fragen. Datenschutzbeauftragte können eine richterliche Überprüfung nicht ersetzen. Mit der Absicht, diese Aufgabe der Judikative auf die Exekutive zu übertragen, schwächen CDU und SPD den Rechtsstaat. Die Asog-Novelle lässt jegliches Gespür für die praktischen Folgen im Alltag der Beamt*innen vermissen. Das zeigt sich bei den etlichen offenen Fragen zur Nutzung der Bodycams, noch deutlicher bei den Regelungen zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten, den Tasern. Wir kritisieren, dass der Einsatz von Tasern dermaßen ausgeweitet, sie etwa auch als Ersatz für sogenannte Hiebwaffen eingesetzt werden sollen. Studien zeigen, dass sie in einer Gefahrensituation oftmals zur Eskalation statt zur Deeskalation führen. Und sie sind mitnichten ein mildes Mittel, wie die vielen Todesfälle nach deren Einsatz belegen. Es ist unverantwortlich, in solch sensiblen Fragen in Raserei zu verfallen. Der Koalition fehlt hier Maß und Mitte. Wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Sicherheitsbehörden gestärkt und zugleich Freiheits- und Bürger*innenrechte geachtet und geschützt werden können."

Schwarz-Rot hat den Paradigmenwechsel in der Innenpolitik eingeleitet. Die aktuelle Novelle des Polizeigesetzes ist ein erster Schritt hin zu mehr Überwachung und Law und Order. Während Berlin bislang auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen die Sicherheit in der Stadt verbessert hat, schränkt Schwarz-Rot Grund- und Bürgerrechte aus einem Bauchgefühl heraus ein und nimmt Errungenschaften der letzten Jahre Schritt für Schritt zurück.

Laut Entwurf sollen Bodycams zukünftig etwa auch bei Einsätzen in privaten Schutzräumen wie Wohnungen verwendet und darüber hinaus auch von Mitarbeiter*innen der Ordnungsämter genutzt werden können. Über die Verwendung des Materials soll kein richterlicher Beschluss erwirkt werden müssen, sondern die Entscheidung einer*s Datenschutzbeauftragten genügen. Ein Vorschlag, den die Berliner Datenschutzbeauftragte wiederum als verfassungswidrig einstuft.

Eine weitere Neuerung, die CDU und SPD vorsehen, ist die massive Ausweitung des Einsatzes von Tasern. Dabei sind sie mitnichten ein mildes Mittel, wie die vielen Todesfälle nach deren Einsatz belegen. Studien zeigen auch, dass sie in einer Gefahrensituation oftmals zu mehr Eskalation statt zur Deeskalation führen. Und nur in wenigen Situationen können sie sicher zur Anwendung gebracht werden, denn es besteht für viele Personengruppen ein erhöhtes gesundheitliches Risiko, was im Übrigen auch für die Beamt*innen ein großes rechtliches Risiko bei der Anwendung bedeutet.

Ausweitungen der Präventivhaft sind bürgerrechtlich verheerend, damit werden wichtige Grundsätze von Strafverfahren eingeschränkt.

Der Koalition fehlt ein weiteres Mal Maß und Mitte. Der eingeschlagene Kurs widerspricht vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen und führt nicht zu mehr Sicherheit, schränkt dafür aber Bürger*innen- und Freiheitsrechte stark ein.