Waldbewirtschaftung in der Oberförsterei Reiersdorf bei Templin/Gollin

01.11.23 –

Bericht von einer Grünen Waldexkursion in Brandenburg am 11.10.23 - Hartwig Berger; Co-Sprecher der LAG

Am Donnerstag, den 11. Oktober, haben neun Berliner Grüne, darunter unser Landes- Co-Vorsitzender Philmon, die Landesoberförsterei Reiersdorf besucht. Der Leiter des Forstamts, Dietrich Mehl, erläuterte uns im Dialog und auf Rundgängen Praxis und Erfahrungen der dortigen Waldbewirtschaftung.

Die 15 landeseigenen Waldreviere von Reiersdorf umfassen insgesamt 22.500 ha, hinzu kommen 3.260 an Wasserflächen in einem seenreichen Gebiet, sowie an Mooren und Wiesen. Insofern entspricht die Größe nahezu dem Gesamtbestand der Berliner Forsten (mit 28.500 ha).  Eine besondere Bedeutung hat der signifikante Anteil an Waldmooren (dazu später). Von der Gesamtfläche stehen 8.000 ha unter europäischem Naturschutz („FFH“), mehr als 10% ist als (sich selbst überlassener) „Referenzwald“ ausgewiesen.  Aufgrund der monokulturellen Historie ist in der obersten Waldschicht die Kiefer mit 65% klar dominant, der Anteil der Rotbuche liegt bei 9%.  Im Unterstand hingegen ist inzwischen der Laubholzanteil klar dominant, mit z.B. 40% Rotbuche und nur 5% Kiefer. Der Anteil der Esche in beiden Bereichen ist mit 12% auffallend hoch. Ansonsten signifikant vertretene Baumarten: Erle, Birke, in zunehmenden Anteilen Hainbuche, Eberesche. Anteile an Fichte und Lärche (beide infolge der Klimakrise deutlich absterbend) ist gering, Douglasie mit 7%. Die Personallage in der Oberförsterei ist kritisch. Aufgrund massiver Einsparungen der Landesverwaltung beschränkt sie sich auf 60 Personen, mit einem deutlichen Übergewicht der älteren Jahrgänge.

Aus den Gesprächen und Führungen vor Ort mit Herrn Mehl erscheinen mir die folgenden Punkte für unsere Diskussion zum Berliner Wald besonders wichtig:

  • Reiersdorf verzichtet für den Nachwuchs im Wald fast vollständig auf Zaunbau. Er wird neben Aufwand und Kosten als störend bis „zerstörend“ für einen „empfindsamen Waldumbau“ eingeschätzt.
  • Das zwingt  die Förster umso mehr dazu, den Wildbestand – insbesonder Rehwild, Rotwild (und Damwild?)  weitgehend so zu reduzieren, dass Laubholz ohne langjährige Verzögerungen nachwachsen kann. Mit den ganz überwiegend praktizierten Druckjagden wurden in den vergangenen Jahre  jeweils zwischen 2.600 und 3.500 Tiere erlegt. 
  • Für den Baum-Nachwuchs im Wald ist Naturverjüngung die goldene Regel,; soweit nicht, wird vorwiegend  auf  Aussamung gesetzt (wobei die Eichelhäher für den Nachwuchs ihres „Leitbaums“ durchaus erfolgreicher sind).
  • Einschlag und Regelung des Zuwachses im Wald erfolgt prioritär unter Beachtung des Waldinnenklimas.
  • Dies hat unter anderem dazu geführt, dass in den besonders trockenen Jahren 2018-2020 nur sehr wenig gefällt wurde und die von der zentralen Forstverwaltung vorgegebene Jahresquote deutlich unterschritten wurde.
  • Beim Holzeinschlag wird der Erhalt eines geschlossenen bzw. sich schnell schließenden Kronendachs durch den hohen Bestand beachtet. Totholz wird mit der Richtgröße von 10% des jeweiligen Baumbestands in der Fläche belassen. Bäume, die von Natur aus umfallen und abgestorbene stehende Bäume  werden im Wald belassen. Der Holzeinschlag erfolgt ganz überwiegend durch den Einsatz von Harvestern ( mit Schneisen im Anstand von 40m), der zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt als alternativlos eingeschätzt wird.  Ganz abgesehen von der Härte und den Risiken einer Fällpraxis mit der Handsäge findet sich landesweit wie über die Landesgrenzen dazu kein Personal. In begrenztem Maß werden auch Rückpferde eingesetzt (Reiersdorf hat ggw. keinen eigenen Pferdebestand)
  • Harvester werden auch zur Aussaat von Laubholz-Sämlingen in gelichteten Kiefernbeständen eingesetzt. Die langen Arme der Maschinen werden seitlich zur Öffnung von Furchen und zur Einbringung der Sämlinge eingesetzt. Die Öffnung von Furchen ist zwingend, um die durch den Nadelholzbestand versauerten Böden zu durchbrechen.
  • Reiersdorf verzichtet bewusst auf die Beseitigung der Spätblühenden Traubenkirsche im Wald, wie sie z.B. in Berlin mittlerweile seit Jahrzehnten praktiziert wird und in der geltenden Waldbaurichtlinie verankert ist.  Zum einen trägt die TK gerade in den durch den Nadelholzbestand versauerten Böden zu einer dem Laubholz zuträglichen Humusbildung bei; zum zweiten hemmt die ungestört hochwachsende TK den ansonsten zahlreichen Nachwuchs von TK; zum dritten bildet sie, sofern höher gewachsen, einen Schutzschirm für nachwachsendes anderes Laubholz; wobei dafür zumeist vor Ort Pflänzlinge eingebraucht werden.
  • Weil es in der fortschreitenden Klimakrise immer wichtiger wird, Wasser im Wald zu halten, erhalten die vielen Moore im einigen Revieren eine besondere Bedeutung. Zudem sind sie relevant für eine dort vielfältige Flora und Fauna und als Kohlenstoffspeicher. Wegen begrenzter Zeit war das nicht mehr vor Ort zu besichtigen und zuzu erläutern. Ich ergänze daher den Bericht durch zwei Fotos (siehe Anhang), aufgenommenen in diesen Tagen auf einer Wanderung auch längs der Waldmoore im  Reiersdorfer Revier nördlich des Großen Präsnicksees (östlich von Ringenwalde)  Die Moore und Flachseen dort haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich dank einer erfolgreichen „Kooperation“ von Biberfsmilien und forstlichen Eingriffen ausgeweitet, teils überhaupt erst entwickelt. So entstand der flache stark vermoorte Waldsee mit  abgestorbenen Bäumen ( diese hier im Hintergrund des Fotos erkennbar) zunächst durch Dämme von Bibern, die  vom Großen Präsnicksee gespeiste Waldbäche  teils auf einer Feuchtwiesen im Wald (F1), teils unter Baumbestand (F2) aufstauten; ihr Werk wurde durch sekundäre Zuarbeit seitens der Oberförsterei erweitert und stabilisiert.  Vielleicht ein Vorbild hier und da auch für Berlin? Ein Beispiel dafür kleineren Umfangs finden wir im Berliner Wald im Biesenthaler Becken (wohl auch unter ohne Biber-Mitwirkung), eines anderer Art in der Wiederherstellung und Renaturierung von Rieselfeldern im Tegeler Wald in Hobrechtsfelde (hier ohne Biber). 

Weiter so!