Aprilsitzung der LAG Demokratie und Recht: „Ersatzfreiheitsstrafe revisited“

Datum

  • 08.04.24 19:00 Uhr

„Ersatzfreiheitsstrafe revisited“

Sitzung der LAG Demokratie und Recht am 8. April 2024 von 19-21 Uhr in den Räumen des KV Neukölln in der Berthelsdorfer Straße 9, 12043 Berlin. 

Am 27. März 2024 saßen 343 Menschen in den Berliner Justizvollzugsanstalten, obwohl kein Gericht sie zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hat. 
Diese sog. „Ersatzfreiheitsstrafer:innen“, seit Jahren etwa 10% aller Berliner Gefangenen, wurden zu einer Geldstrafe verurteilt, häufig wegen Fahrens ohne Fahrschein oder anderer Bagatelldelikte. Die wenigsten von ihnen wollten, die allermeisten konnten die in Tagessätzen bemessene Geldstrafe aufgrund multipler Problemlagen (Krankheit, Sucht, Verschuldung) jedoch nich bezahlen. In diesem Fall tritt nach § 43 StGB an die Stelle einer „uneinbringlichen Geldstrafe“ Freiheisstrafe, wobei bis zum 1. Februar 2024 ein Tagessatz - unabhängig von seiner Höhe - einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe entsprach. Nach jahrelanger Diskussion hat der Bundestag diesen Umrechnungsmaßstab im vergangenen Jahr mit den Stimmen der Ampel-Koaltion halbiert, so dass seit gut zwei Monaten zwei Tagessätze Geldstrafe zu einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe führen.

Nach Art. 293 EGStGB sind die Landesregierungen ermächtigt, es den Verurteilten zu gestatten, die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch „freie Arbeit“ abzuwenden. Wurde diese (unentgeltliche) Arbeit geleistet, ist die Ersatzfreiheitsstrafe erledigt. Die Länder bestimmen dabei die Zahl der Arbeitsstunden, die geleistet werden müssen, um einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden. Nachdem diese Zahl in der vergangenen Legislatur unter Justizsenator Dirk Behrendt von 6 auf 4 Stunden reduziert worden war, wurde die Regelung auf Vorlage von Senatorin Felor Badenberg zu Beginn dieses Jahres wieder verschärft, so dass erneut 6 Stunden gearbeitet werden muss, um einen Tag Ersatzfreiheitsstrafe zu vermeiden.

Viele Gründe also, sich erneut mit dem Institut der Ersatzfreiheitsstrafe zu beschäftigen und insbesondere den folgenden Fragen nachzugehen: 
- Wie stellt sich die Vollzugssituation für Ersatzfreiheitsstrafer:innen derzeit in Berlin dar? 
- Welche Angebote für das Ableisten freier Arbeit gibt es und welche Herausforderungen bestehen dabei in der Praxis? 
- Was spricht für, was gegen die vollständige Streichung der Ersatzfreiheitsstrafe durch den Bundesgesetzgeber?
- Welche anderen Möglichkeiten gibt es auf Landesebene, um die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen zu reduzieren?

Wir freuen uns, dass wir vier Expert:innen für diese Diskussion gewinnen konnten:
- Franziska Gitz, Freie Hilfe Berlin e.V. (angefragt)
- Leo Ihßen, Freiheitsfonds 
- Olaf Heischel, Vorstandsvorsitzender des Berliner Vollzugsbeirats
- Petra Vandrey, Sprecherin für Rechtspolitik der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.

Wir sind dem Kreisverband Neukölln dankbar, dass er uns seine Räume für die Veranstaltung zur Verfügung gestellt hat und hoffen auf Euer zahlreiches Kommen. Danach besteht die Möglichkeit, die Sitzung bei einem Kaltgetränk in der näheren Umgebung gemeinsam ausklingen zu lassen. 

Euer Sprecher:innen-Team

Datum

  • 08.04.24 19:00 Uhr