Debattenbeitrag: Urheberrecht und Berliner Erklärung

30.09.12 –

30Sep 

  

Das Urheberrecht – was habe ich denn damit zu tun und warum streiten wir darüber?

 

Seit langem schon wird „Das Urheberrecht“ bei den Grünen heftig diskutiert und spätestens mit dem Auftauchen der Piraten hat die Diskussion sehr viel Aufmerksamkeit bekommen. Aber worum geht es denn eigentlich?

In der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Art. 27, Abs. 1 und 2,“ steht:

Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.

Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen.”

Wenn jemand ein „Werk“ schafft, sei es ein Buch, Foto, Film, Text… dann hat er das Recht dafür vergütet zu werden, es vor Verfälschungen zu schützen und zu bestimmen, was damit gemacht werden darf. Gleichzeitig wollen wir so guten und günstigen Zugang zu Wissen, Kultur und Kunst für so viele Menschen wie möglich garantieren.

 

Das Urheberrecht schützt die Interessen der Urheber*innen, der Werkschaffenden. Insbesondere – in Form des Urhebervertragsrechtes – gegenüber den „Verwertern“, also den Verlagen, Plattenfirmen, Filmproduzenten, Fernsehanstalten…

Solange man diese Werke noch nicht ohne Qualitätsverlust, sehr einfach und sehr schnell über das Internet verbreiten konnte, hatte sich eine Balance zwischen den „Nutzer*innen“, den „Verwertern“ und den „Urheber*innen“ etabliert. Zwar war es schon immer verboten, Kopien selbst zu machen und an Freunde weiterzugeben, aber da es meist nur um wenige, oft auch schlechte Kopien ging, hatte man eine sogenannte Schrankenregelung eingeführt. Jede*r zahlt eine kleine Summe, eine „Leermittelabgabe“, wenn er Cds, Kassetten, Papier, Drucker, Computer, Speichersticks oder Festplatten kauft – und dieses Geld wird dann über die „Verwertungsgesellschaften“ (wie VG-Wort, VG Bild-Kunst, GEMA…) an die Urheber*innen verteilt. Das ist zwar nicht viel Geld für den einzelnen Künstler, aber es wurde ja auch nicht viel kopiert.

Diese Zeiten sind vorbei. Durch das (tolle!) Internet wird jetzt plötzlich sehr viel kopiert und die klassischen Einnahmequellen, wie Platten-, CD-, Bücher- und Videokassettenverkäufe, brechen ein. Das betrifft nicht nur die Kreativen, das schwächste Glied in der Kette, sondern vor allem die Hersteller all dieser „Medien“, die Verwerter (nicht zu verwechseln mit den Verwertungsgesellschaften!), die nun ihrerseits versuchen zu verhindern, dass übers Internet kopiert wird. Unter anderem über „Abmahnanwälte“. Ein ausuferndes, oft unverhältnismäßig teures, angsteinflößendes Mittel.

Das ist zwar verständlich, aber auch naiv, denn da es technisch so einfach möglich ist zu kopieren, wird es sich nicht mehr völlig verhindern lassen. Das Rad der Zeit kann man nicht zurück drehen.

Jetzt suchen wir Grünen nach Möglichkeiten, die Bedürfnisse und Rechte der Urheber*innen mit den Wünschen der Nutzer*innen und den Gesetzen in Einklang zu bringen. Das ist unglaublich kompliziert und langwierig. Es betrifft internationale Gesetze und neue Profiteure, zum Beispiel die großen Internetkonzerne, seien es Internetanbieter, wie die Deutsche Telekom oder Firmen, die Zugang zu Inhalten anbieten, wie Google, Apple und viele andere.

Wir haben eine Arbeitsgemeinschaft Urheberrecht im Berliner Landesverbandes von Bündnis 90/Die Grünen gegründet in der sich alle Interessierten engagieren können. Ein erstes Zwischenergebnis ist die „Berliner Erklärung“ mit 12 Punkten, die auch in einer Werkstatt am 11. August erarbeitet wurde. Stichworte hieraus:

1. Rechtssichere private Nutzung legal erworbener Werke
Wir wollen erreichen, dass die private Nutzung von digitalen Werken genauso unbeschränkt legal möglich ist, wie bisher die private Nutzung von analogen Werken über Schrankenregelungen ermöglicht und durch Kopierabgaben vergütet wurde. Die diesbezüglichen Schrankenregelungen müssen an die neue und sich auch weiter verändernde Situation angepasst werden.

2. Wiederveräußerbarkeit von digitalen Produkten ermöglichen
Jedes legal erworbene, immaterielle Gut soll von der Besitzer*in weiter veräußert werden dürfen. 

3. Abmahnwahn stoppen
Wir wollen verhindern, dass weiterhin ein spezialisiertes “Abmahngewerbe” tausende Abmahnungen verschickt, deren Kosten unverhältnismäßig hoch sind. 

4. Filesharing rechtssicher ermöglichen
Wir wollen Filesharing, als breit genutzte und sichere Technologie, rechtlich klar erfassen, und die legale Nutzung ermöglichen. 

5. Vergütungspflicht für Content-Provider
Wenn der Anbieter eines sozialen Netzwerkes den Nutzer*innen die Möglichkeit der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke gibt, so ist dieser Content-Provider verpflichtet, die Urheber*innen dafür zu vergüten. 

6. Einführung einer Pauschalabgabe
Wir prüfen eine pauschale Abgabe auf Internetanschlüsse als einen weiteren Baustein zur Vergütung urheberrechtlicher Ansprüche aus der privaten/nichtkommerziellen Nutzung digitalisierter Werke.

7. Reform der Verwertungsgesellschaften
Unser Ziel sind transparente, effektive und flexible Verwertungsgesellschaften, die den Urheber*innen als “one-stop-shops” alle Dienstleistungen abnehmen und auch für Verwerter*innen, moderne und verlässliche Ansprech- und Vertragspartner*innen darstellen.

8. Freie Wahl der Verwertungsgesellschaft
Urheber*innen sollen jedes ihrer Werke, bei der ihrer Meinung nach am besten dafür geeigneten Verwertungsgesellschaft, einzeln registrieren können (volle Wahlfreiheit).

9. Freie Wahl der werkspezifischen Nutzung
Urheber*innen sollen von den Verwertungsgesellschaften alle legalen, Lizensierungsmöglichkeiten alternativ angeboten bekommen müssen und für jedes einzelne Werk daraus auswählen zu können. Art und Umfang der Nutzung jedes Werkes können so von den Urheber*innen frei festgelegt werden.

10. Registrierungspflicht für alle Werke
Alle Werke sollen an einer zentralen Stelle registriert werden. Diese eindeutige Registrierung erlaubt eine sichere Identifikation der Urheber*innen und der jeweiligen Verwertungsgesellschaft.

11. Rechtssicherheit bei der Nutzung verwaister Werke
Jedes Werk soll zugänglich und nutzbar sein, solange die Urheber*innen nicht widersprechen.

12. Urhebervertragsrecht reformieren
Uns liegt daran, die Position der Urheber*innen zu stärken. Auch und insbesondere im Verhältnis zu der verwertenden Kreativindustrie, den Verlagen, Labeln, Sendern und Produktionsfirmen.

 

Die Berliner Erklärung zum Urheberrecht formulierten delegierte Mitglieder der:
Grünen Jugend Berlin, LAG Demokratische Rechte, LAG Kultur, LAG Medienpolitik, LAG Netzpolitik, LAG Wirtschaft, LAG Wissenschaft, Landesvorstand Bündnis 90/Die Grünen Berlin, Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin

Termine und Texte über www.gruene-berlin.de, die Erklärung gibt es hier.

Ein Text von Notker Schweikhardt, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Kultur in Berlin

Verfasst am 30.09.2012 um 18:51 Uhr von Armin Feistenauer mit den Stichworten Abmahnwahn, Berliner Erklärung, Filesharing, Kultur, Pauschalabgabe, Urheberrecht, Verwertungsgesellschaften.
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